Investitionsstau an hessischen Schulen

Lassen wir unsere Zukunft verrotten?

Bericht vom Fachforum am 16. März 2018

Am 16. März veranstalteten die GEW-Hessen und der DGB Hessen-Thüringen ein abendliches Fachforum zum Thema „Investitionstau an hessischen Schulen“ im DGB-Haus in Frankfurt. Die Veranstaltung wurde eröffnet von Sandro Witt, dem stellvertretenden Vorsitzenden des DGB-Bezirks. Im Anschluss stellte Dr. Katja Rietzler, Wissenschaftlerin am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, alarmierende Zahlen zur Entwicklung der kommunalen Investitionen vor: Seit Anfang der 2000er Jahre sind diese geringer als die Abschreibungen. Es wird somit weniger investiert als notwendig, um die bestehende Infrastruktur zu erhalten. Ein „Substanzverzehr“ ist die Folge. Von Dr. Kai Eicker-Wolf als finanzpolitischer Referent der GEW Hessen aufbereitete Daten zeigten auf, dass dies in erschreckenden Ausmaßen auch für die Schulbauten in Hessen gilt.

An der anschließenden Diskussion beteiligten sich Maike Wiedwald (Vorsitzende der GEW Hessen), Dr. Ulrich Keilmann (Direktor beim Hessischen Rechnungshof), Dr. Martin Kraushaar (Hauptgeschäftsführer der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen), Dr. Jürgen Dieter (Direktor des Hessischen Städtetags) und Kirsten Fründt (Landrätin des Landkreises Marburg-Biedenkopf). Matthias Trautsch, der als Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung regelmäßig in dieser zu dem Thema Bildung schreibt, moderierte die Diskussionsrunde. Zum Einstieg erinnerte er an einen Spätsommertag im Jahr 2013: Damals wurde auf dem Frankfurter Riedberg das gut ausgestattete Riedberg-Gymnasium eröffnet. Zeitgleich demonstrierten auf der Eschersheimer Landstraße in der Innenstadt Schülerinnen und Schüler, Eltern sowie Lehrkräfte der Elisabethenschule, weil der Sanierungsstau so groß geworden war, dass im Musiksaal wegen der gefährdeten Statik keine Schwingungen erzeugt werden durften – es durfte also nicht musiziert werden.

Tenor insbesondere der mittelhessischen Landrätin Kirsten Fründt und des Direktors des Hessischen Städtetags Dr. Jürgen Dieter war, dass die Kommunalfinanzen dauerhaft gestärkt werden müssten. So betonte Landrätin Fründt, dass 96 Prozent der Ausgaben in ihrem Landkreis reine Pflichtaufgaben seien und diese zudem gewachsen seien. Die Sonderprogramme von Bund und Land (z.B. KIP 1 und 2) seien nicht nur zu gering dimensioniert, sondern auch mit zu aufwändigen bürokratischen Vorgaben versehen. Der Bund müsse die Kommunen entlasten, etwa indem er einen größeren Anteil der Sozialausgaben übernimmt. Nicht zuletzt durch die Diskussionsbeiträge von Dr. Martin Kraushaar wurde mehrfach auch die Bedeutung des Schulraums als „dritter Pädagoge“ beleuchtet.

Unbestritten waren der bestehende Sanierungsstau sowie der hohe Nachholbedarf. Unwidersprochen blieb auch, dass oft Personal für Ausschreibungen, Planungen usw. fehlt. Dr. Kraushaar führte unter anderem aus, dass die Zahl der in den Kommunen beschäftigten Baufachleute von 1999 bis 2011 um 35 Prozent zurückgefahren wurde – und bis 2015 nochmals um neun Prozent, zusammen also um insgesamt 44 Prozent! Dies bedeute zum Beispiel für die Stadt Frankfurt, dass von den rund 750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Frankfurter Baudezernats rechnerisch eine Person für 62 unbebaute und bebaute Grundstücke zuständig ist.

Die Finanzierung von Schulbauten im Rahmen von ÖPP-Projekten (öffentlich-private Partnerschaften, oder auch PPP für private-public partnerships) wurde von allen skeptisch bis klar ablehnend bewertet. Auch die Finanzpolitik im Zeichen von „Schuldenbremse“, europäischen Verschuldungskriterien und „schwarzer Null“ wurden von Teilen des Podiums und des Publikums kritisch gesehen. Abschließend betonte Maike Wiedwald die pädagogischen Ansprüche an Schulbauten – nicht nur, aber insbesondere auch in Bezug auf Inklusion und Ganztag – und forderte mehr Geld für Bildung durch eine alternative Steuerpolitik.

"Anhaltender Verfall der Kommunalen Infrastruktur. Was ist zu tun?" von Dr. Katja Rietzler, IMK in der Hans-Böckler-Stiftung

Vortrag

Der Investitionsstau an den Schulen in Hessen von Dr. Kai Eicker-Wolf, Referent für finanzpolitische Fragen GEW Hessen

Vortrag