Schulen: Sanierung auskömmlich finanzieren!

Bisherige Investitionsprogramme reichen nicht aus

Das Land Hessen hat verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, um dem bestehenden Investitionsstau auf der kommunalen Ebene zu begegnen. Er betrifft ganz besonders die Schulen, für die die kommunale Ebene als Schulträger verantwortlich ist. Genaue Zahlen, wie viel Geld für die Baumaßnahmen im Schulbereich in den einzelnen Bundesländern und damit auch in Hessen erforderlich ist, gibt es nicht.
In Hessen gibt es solche Zahlen für die Städte Frankfurt (rund eine Milliarde Euro) und Wiesbaden (mindestens 400 Millionen Euro) und für die Landkreise Marburg-Biedenkopf (170 Millionen Euro) und Bergstraße (150 Millionen Euro). Der Kämmerer der Stadt Kassel sprach im Jahr 2013 von 155 Millionen Euro, die eigentlich in Baumaßnahmen an den Schulen in seiner Stadt fließen müssten.

Für andere Schulträger gibt es entsprechende Zahlen nicht. Trotzdem ist auch dort von einem enormen Finanzbedarf auszugehen, beispielsweise für Darmstadt (Fallbeispiel in dieser HLZ auf S. 7) oder Rüsselsheim. Hier ist die Landesregierung zusammen mit den Kommunalen Spitzenverbänden aufgerufen, solche Daten zu erheben. Außerdem müsste sich der Hessische Rechnungshof aufgrund seines gesetzlichen Auftrags hiermit befassen – was er allerdings nicht macht. Eine deutschlandweite repräsentative Befragung zum Investitionsstau im Schulbereich ergab eine Gesamtsumme von 33 Milliarden Euro.

Was tun gegen „einstürzende Schulbauten“?

Eine möglichst genaue Erhebung des kommunalen Investitionsstaus in Hessen wäre schon deshalb wichtig, um die Auswirkungen von Investitionsfördermaßnahmen durch Bund und Land abschätzen zu können. In der jüngsten Anhörung zum Kommunalen Investitionsprogramm II wurde eine entsprechende Forderung der GEW auch vom Deutschen Institut für Urbanistik unterstützt. Trotzdem bleibt die schwarz-grüne Landesregierung untätig, die nicht einmal die Investitionsentwicklung im Schulbereich der vergangenen Jahre zur Kenntnis nimmt.

Im Rahmen der Maßnahmen zur Konjunkturförderung zur Bekämpfung der internationalen Finanz- und Weltwirtschaftskrise stellten der Bund und das Land Hessen Mittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro für die Schulträger bereit. Diese von der hessischen Landesregierung genannte Summe speiste sich aus Bundes- und Landesmitteln und enthielt auch Eigenanteile der Kommunen. Den Investitionsstau substanziell vermindern konnten diese Maßnahmen aber offensichtlich nicht.

Neueren Datums sind die beiden Kommunalen Investitionsprogramme I und II (KIP I und II), die sich jetzt in der Umsetzung befinden. Im Rahmen von KIP I leitet das Land Bundesmittel in Höhe von etwa 350 Millionen Euro an die Kommunen weiter und stockt diese auf insgesamt gut eine Milliarde Euro auf. Während nur ein Teil des Investitionsvolumens aus dem KIP I in die Schulen fließt, sind die Mittel aus KIP II in Höhe von gut 500 Millionen Euro ausschließlich für den Schulbereich vorgesehen. Mit diesem zweiten Programm werden vor allem Bundesmittel in Höhe von rund 330 Millionen Euro an finanzschwache Kommunen weitergereicht.

Zusätzlich unterstützt das Land mit eigenem Geld jene hessischen Kommunen, die als nicht finanzschwach gelten. Über KIP I und II hinaus hat das Land ein weiteres Förderprogramm in Höhe von 500 Millionen Euro angekündigt. Diese Mittel sollen der Gemeindeebene im Rahmen einer geplanten Teilentschuldung durch die so genannte HESSENKASSE zugeleitet werden. Unzureichende Baumaßnahmen im Schulbereich Schon ein Vergleich der Fördermittel von Land und Bund mit dem bestehenden Investitionsstau im Schulbereich allein in den genannten fünf Landkreisen und Städten, der sich auf fast zwei Milliarden Euro beläuft, offenbart die unzureichende Dimension der Investitionszuweisungen an die Kommunen. Geradezu beklemmend erscheint die Größenordnung der vorgesehenen Mittel, wenn ein Blick auf die Entwicklung der kommunalen Baumaßnahmen im Schulbereich geworfen wird.

Diese Zahlen, die vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellt werden, werden aber bisher weder vom Hessischen Finanzministerium noch von anderen politischen Akteuren beachtet oder gar zur Diskussion gestellt. Die unten wiedergegebene Tabelle enthält in der Zeile unter den Jahreszahlen die Entwicklung der Baumaßnahmen an Schulen in Hessen für den Zeitraum 1999 bis 2016. Dabei handelt es sich um nominale, nicht preisbereinigte Zahlen. Gerade in den vergangenen vier Jahren fielen die Bauinvestitionen bestürzend gering aus: Selbst wenn alle hessischen Kommunen ihre Mittel in den Jahren 2015 und 2016 zusammengelegt hätten, hätte die Summe von rund 450 Millionen Euro gerade einmal gereicht, um den Investitionsstau in der Landeshauptstadt Wiesbaden aufzulösen. Und um die Schulgebäude in Frankfurt zu sanieren, wäre die gesamte Investitionssumme der vergangenen vier Jahre erforderlich gewesen. Auffällig ist der Anstieg der Bauausgaben in den Jahren 2010 und 2011. Hier spiegelt sich die etwas verzögerte Wirkung der angesprochenen Konjunkturfördermittel im Zuge der Weltwirtschaftskrise wider.

Baumaßnahmen an Schulen in Hessen 1999 bis 2016 in Millionen Euro bzw. Prozent des hessischen Bruttoinlandsprodukts

  1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
Mio. Euro 209,6 242,2 262,7 305,8 273,7 306,3 305,0 318,8 325,8
Anteil
am BIP
0,11 0,12 0,13 0,15 0,13 0,15 0,14 0,15 0,14
  2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Mio. Euro 269,3 289,8 549,8 587,5 304,1 226,3 223,1 209,9 243,3
Anteil
am BIP
0,12 0,13 0,24 0,25 0,13 0,09 0,09 0,08 0,09

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Amt des Bundes und der Länder, zum Teil eigene Berechnungen

Wie schwach die Ausgaben für Baumaßnahmen an den Schulen gerade in den vergangenen Jahren ausfallen, verdeutlicht der Anteil dieser Ausgabenkategorie an der hessischen Wirtschaftsleistung, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP). Während dieser Wert von 1999 bis 2012 immer über der Marke von 0,1 Prozent liegt, ist er ab 2013 unter diese Marke gerutscht. Kein Trost ist dabei, dass Hessen unter den Bundesländern im längerfristigen Vergleich der Pro-Kopf-Werte überdurchschnittlich abschneidet, denn dieser Vergleich offenbart, dass die Situation in vielen Bundesländern noch schlechter ist als die schon schlechte Lage in Hessen.

Zwar ist zu erwarten, dass die Ausgaben für bauliche Maßnahmen an Schulen in den nächsten Jahren aufgrund der Kommunalen Investitionsprogramme steigen. Ihr Volumen ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aber zu gering, um das bestehende Problem substanziell zu verkleinern. Es ist zu befürchten, dass zumindest teilweise auch Mitnahmeeffekte auftreten – unter anderem, weil die Bauverwaltungen 
aufgrund des Stellenabbaus der vergangenen Jahre nicht in der Lage sind, ihre Bauinvestitionen deutlich zu erhöhen. Die Hoffnung der Landesregierung, KIP II werde einen „Abbau des Investitions- und Instandhaltungsstaus an den Schulen“ herbeiführen, geht an der Realität vorbei.

Den Finanzierungsbedarf umfassend erheben Erforderlich ist eine rationale Debatte, deren Ziel die Beseitigung des Investitionsstaus in den hessischen Schulen sein muss. Dabei sollte sich die Landesregierung endlich der Realität stellen und eine Erhebung zum Investitionsbedarf auf den Weg bringen. Auf Basis der eingangs genannten Zahlen für einzelne hessische Kommunen ist zu vermuten, dass sich dieser auf wenigstens 3,5 bis 4 Milliarden Euro beläuft. Eine genaue Zahl für Hessen insgesamt und für die einzelnen Schulträger kann aber nur die geforderte Erhebung bringen. Zu untersuchen wäre ferner, ob es personelle Engpässe im Bereich der Bauverwaltung gibt, um die Schulen zügig zu sanieren. Hierzu liegen der GEW Hessen für mehrere Kommunen, unter anderem für Frankfurt, entsprechende Hinweise vor (HLZ S. 14). Wenn dies der Fall ist, dann müssen auch hier dringend Mittel bereitgestellt werden, um diesen Missstand zu beheben.

Bauinvestitionen mindestens verdreifachen In jedem Fall müssen die Ausgaben im Baubereich dauerhaft deutlich erhöht werden. Dabei sollte es das Ziel sein, keinen weiteren Investitionsstau entstehen zu lassen und den bestehenden Investitionsstau im Laufe von höchstens zehn Jahren abzubauen. Dies dürfte nur dann möglich sein, wenn sich der Wert der Bauinvestitionen für einen längeren Zeitraum mindestens verdreifacht oder vervierfacht.