GEW Hessen zum Bildungsmonitor

Vollkommen unseriös!

Die von Arbeitgeberverbänden finanzierte Lobbyorganisation „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ hat am 15. August 2019, inzwischen zum 16. Mal, ihren „Bildungsmonitor“ veröffentlicht. Dieser analysiert die Bildungssysteme aller Bundesländer anhand von 93 Indikatoren in zwölf Handlungsfeldern. Dazu werden unterschiedliche Daten aus verschiedenen Quellen ausgewertet. Dabei kommen mitunter wichtige und richtige Befunde zu Tage. Das gilt beispielsweise für die Betreuungsrelationen für die verschiedenen Bildungsbereiche, die durchaus Auskunft über die Bildungsqualität geben. Für diese Befunde bedarf es allerdings nicht des Bildungsmonitors, denn alle verwendeten Daten liegen bereits vor. Ein Teil der verwendeten Indikatoren ist aber vollkommen absurd. Das ist beispielsweise bei dem Indikator „Verhältnis von Sachausgaben zu Personalausgaben“, der die so genannte Inputeffizienz messen soll, der Fall. Diesem Indikator zufolge schneiden Bundesländer mit hohen Sachausgaben in Relation zu den Personalausgaben gut ab. Einsparungen beim Personal würden so, auch ohne einen Euro zusätzlicher Sachausgaben, zu einer Verbesserung bei diesem Indikator führen.

Vollkommen unseriös ist die Erstellung eines Länderrankings auf dieser Grundlage. Dabei werden alle einzelnen Indikatoren aus den verschiedenen Handlungsfeldern zu nur einem Wert zusammengefasst, der über die Platzierung des einzelnen Bundeslands im Vergleich Auskunft geben soll. Dabei werden die – möglicherweise sehr unterschiedlichen Befunde – über die frühkindliche Bildung, die schulische Bildung und die Hochschule nivelliert. Auch wichtige Drittvariablen, wie die erheblichen Unterschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich Erwerbslosigkeit und Kinderarmut, bleiben gänzlich unberücksichtigt. Daher misst die GEW Hessen der Platzierung der einzelnen Bundesländer in diesem Ranking keine Relevanz bei. Gleichwohl sind in der Darstellung zu den einzelnen Bundesländern teilweise zutreffende Befunde zu finden. So hat auch die GEW Hessen wiederholt auf die ausgesprochen schlechten Betreuungsrelationen an Schulen und Hochschulen hingewiesen. Dem Bildungsmonitor zufolge weist Hessen im Bereich der Sekundarstufe I ohne Gymnasien die schlechteste Schüler-­Lehrer-­Relation aller Bundesländer auf. Auf eine Lehrkraft an den hessischen Hochschulen kamen im Jahr 2017 rechnerisch 20,6 Stu­dierende, während es im Bundesdurchschnitt 17,7 sind.

Besonders ärgerlich an dem diesjährigen Bildungsmonitor ist, dass er zum Anlass genommen wird, eine – vermeintlich – unzureichende ökonomische Bildung zu monieren. Daher fordert die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ – wie die Arbeitgeberverbände, die sie finanzieren – die Einführung eines eigenständigen Unterrichtsfachs „Wirtschaft“. Wer aber neue Unterrichtsfächer fordert, muss auch sagen, an welchen Stellen dafür Unterricht wegfallen soll, denn die Stundentafeln können nicht beliebig ausgedehnt werden. Darüber hinaus liegt den Konzeptionen für dieses Fach ein verkürztes Verständnis von ökonomischer Bildung zu Grunde. Es geht hier anscheinend primär um den friktionslosen Übergang auf den Arbeitsmarkt, um die Propagierung privater Altersvorsorge und um erwünschte Geldanlagen auf den Finanzmärkten. Eine umfassende sozio-ökonomische Bildung im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule muss aber sehr viel mehr leisten. Es geht dabei nicht zuletzt auch um kritische Verbraucherbildung, um die historische und gesellschaftliche Bedingtheit der Wirtschafts- und Sozialordnung, um betriebliche Interessenvertretung und Vieles mehr. Heute ist eine Stärkung der schulischen politischen Bildung drängender als je zuvor. Dazu müssen die bestehenden gesellschaftswissenschaftlichen Fächer aufgewertet werden. Die Forderung nach einem neuen Pflichtfach „Wirtschaft“ weist in die vollkommen falsche Richtung.