LSV überreicht 28.000 Unterschriften

Rote Karte für Stellenstreichungen: LSV, LEB und GEW Hessen vorm Kultusministerium

Pressemitteilung 23. Juli 2015

Schüler_innen, Lehrer_innen und Eltern kamen zur Übergabe der 28.000 Unterschriften zum Hessischen Kultusministerium. Landesschülervertretung (LSV), Landeselternbeirat (LEB) und GEW Hessen hatten zu einer Kundgebung am heutigen Donnerstag (23. Juli) auf dem Luisenplatz in Wiesbaden aufgerufen. Hintergrund sind die von der Landesregierung geplanten Stellenstreichung an hessischen Schulen!

Die Ordner mit den Unterschriften übernahmen Mitglieder des Petitionsausschusses im Hessischen Landtag: Barbara Cárdenas (DIE LINKE), René Rock (FDP), Ernst-Ewald Roth (SPD) und Markus Meysner (CDU).

Während landesweit hunderte Schüler_innen und ihre Lehrer_innen gegen weitere Kürzungen und Einsparungen im Bildungsbereich, an Schulen und Lehrer_innen-Stellen protestierten, waren zur Übergabe der Unterschriften rund vierhundert Schüler_innen, Lehrer_innen und Vertreter des Landeselternbeirates gekommen und machten ihrer Empörung über die Bildungspolitik Luft. 

"Wer an der Bildung spart, hat in der Schule nicht aufgepasst", steht treffend auf einem Transparent. 

Punkt  „Fünf vor zwölf'' begann die Veranstaltung, auf eine Wäscheleine hatte die LSV einen Teil der Unterschriftenlsiten gehängt - wer aus dem Kultusministerium kam, musst darunter hindurch laufen.

Svenja Appuhn, stellvertretende Landesschulsprecherin moderierte die Kundgebung und rief immer wieder dazu auf, die rote Karte zu zeigen. Auf der Karte hatte die LSV noch einmal ihre Forderungen zusammengefasst, Forderungen, auf die die einzelnen Redner_innen von LSV, LEB (Reiner Pilz) und GEW (Christine Dietz, Jochen Nagel) eingingen:

"Inklusionsförderung, Ausbau von Ganztagsschulen, Deutschförderprogramme und Zuschläge nach Sozialindex müssen kommen – aber nicht auf Kosten der Grundschulen und Oberstufen", so eine der Forderung. Wenn die Lehrerzuweisung sinke, so habe das gravierende Folgen für Grundschulen. "Klassen, die weniger als 25 Schüler_innen haben, müssen in Zukunft auf Zuschläge für den Förderunterricht verzichten." Für die Oberstufe hieße das: Es fielen "13 Wochenstunden pro einhundert Schüler_innen flach". Das bedeute, so die LSV; LEB und GEW "Reduzierung des Kursangebotes, auf KG- und LK-Ebende, Zusammenlegung von Grund- und Leistungskursen, Erhöhung der Kursgrößen, Streichungen von AGs".

Jochen Nagel, Vorsitzender der GEW Hessen:

"Es ist nicht sozial Schülerinnen und Schüler sowie Schulen gegeneinander auszuspielen. Es ist nicht sozial wichtige Kursangebote wegfallen zu lassen und Gruppengrößen massiv zu erhöhen. Es ist nicht sozial, Förderangebote in Grundschulen zu streichen. Es ist auch nicht sozial, die Stunden für Deutsch als Zweitsprache deutlich zu kürzen. Wir leben in einem der reichsten Länder der Erde und hinken weit hinter anderen Staaten zurück, die weit mehr von dem gemeinsam erwirtschafteten Bruttosozialprodukt für Bildung ausgeben. Die chronische Unterfinanzierung des Bildungswesens hierzulande muss beendet werden."

Christine Dietz, GEW Hessen, führte auf, was Stellenstreichungen konkret für die Arbeit in der Grundschule bedeuteten:

"Es ist nicht mehr 5 vor 12, sondern bereits 20 nach 12! Symbolisch gesehen ist es an den meisten Grundschulen auch schon 20 nach 12 und jetzt sollen noch hunderte Stellen für Förderstunden wegfallen? Täglich stemmen wir Unterricht und stetig wachsende Erziehungsarbeit in immer heterogeneren Klassen. Dabei sollen wir jedes einzelne Kind seinem Niveau entsprechend angemessen fördern. Alleine mit Klassenstärken von 25.  Und bei weniger als 22 Kindern werden die ohnehin schon knappen 1,5 Förderstunden weggekürzt.

Wenn sich Kinder an den Grundschulen unsozial und nicht mehr tragbar für die Gruppe erweisen, erhalten sie von vielen LehrerInnen eine Rote Karte. Unsozial und nicht mehr tragbar ist auch die aktuelle Bildungspolitik – also ROTE KARTE für schwarz-grün!

Es geht aber nicht nur um die Förderstunden: GrundschullehrerInnen führen nicht nur vermehrt Gespräche mit Eltern, anderen Schulen, Frühförderstellen, Therapeuten usw. – wir müssen das auch alles dokumentieren. Wir sollen Arbeit übernehmen, für die andere Menschen getrost eine Sekretärin einstellen können. Entstandene Mehrarbeit können wird nicht abfeiern. ROTE KARTE

GrundschullehrerInnen sollen Aufgaben der Bildungsverwaltung übernehmen, weil wir unsere Lehrpläne selbst schreiben und zunehmend verschiedenste Budgets als Mangel verwalten sollen. Wir sollen uns zudem noch permanent fortbilden. Und Grundschullehrkräfte sind die fortbildungswilligste Lehrergruppe. Für die Übernahme übergeordneter Aufgaben und für bessere Qualifizierung gibt es anderswo Beförderungen – nicht in der Laufbahn einer GrundschullehrerIn. ROTE KARTE

Wir sollen Aufgaben von Förderschullehrkräften übernehmen, weil durch die verkorkste sogenannte „Inklusionspolitik“ der Regierung die Kinder zwar alle in den Grundschulen sind, aber nicht genug Förderschullehrkräfte eingesetzt werden. Diese sind mit so wenig Stunden – und immer häufiger ohne Ausbildung! - an den Schulen, dass kaum Förderung mit dem Kind stattfinden kann und dann alles an uns Grundschullehrerinnen hängen bleibt.  So werden wir weder uns selbst noch Kindern, Eltern und dem Gedanken der Inklusion gerecht. Grundschullehrerinnen verdienen 500 Euro weniger als alle anderen Lehrkräfte und müssen dabei noch bundesweit die höchste Pflichtstundenanzahl erfüllen – nämlich 29 Unterrichtsstunden. Jetzt werden wir als billiger Förderschullehrerersatz in einer politisch nicht gewollten Inklusion verheizt. ROTE KARTE

Aus mehreren Schulämtern haben mehrere Dutzend Grundschulkollegien zusammen ihre Überlastung angezeigt. Das KHM reagiert zynisch oder - ganz neu - sogar mit Ignoranz auf unsere sehr ernst gemeinten Hilferufe. In den Schulen brodelt es. Die Stellenkürzungen setzen dem Ganzen die Krone auf. Für die tägliche engagierte Arbeit weit über den Dienst nach Vorschrift für Kinder, Eltern und KollegInnen heraus, werden die pädagogisch fortschrittlichsten Lehrkräfte mit Nichtachtung und Stellenkürzungen abgestraft. Wertschätzung und Fürsorge sehen anders aus."

Innerhalb von fünzig Tagen unterschrieben daher 28.000 Menschen die Petition, die NEIN sagte.

Nein zu einer Bildungspolitik, in der lang überfällige Projekte, wie der Ausbau von Ganztagsangeboten, die Förderung von Inklusion, Deutschfördermaßnahmen und Sonderzuweisungen nach Sozialindex, nicht mit neuen Stellen versorgt werden.

Nein zu einer Politik der Umverteilung, die zur Folge haben wird, dass Grundschulklassen mit weniger als 21 Schüler_innen mit Kürzung der Grundzuweisung rechnen müssen und in der gymnasialen Oberstufe schrittweise die 104/105-prozentige Lehrerversorgung abgebaut wird.

Nein zum ‚Sparen’ in der einzigen flächendeckenden integrativ und oft auch inklusiv arbeitenden Schulform, der Grundschule.

Nein zu einer Reduzierung des Kursangebotes der gymnasialen Oberstufe auf Grundkurs- und Leistungskursebene, nein zu Zusammenlegungen von Grund- und Leistungskursen, nein zu Erhöhung der Kursgrößen und nein zu Streichungen von AGs.

Schul- und Unterrichtsformen gegeneinander ausspielen und gleichzeitig „Schulfrieden“ anstreben – wie passt das zusammen?

Die Landesschülervertretung, der Landeselternbeirat sowie die GEW Hessen fordern daher:

Ausbau von Ganztagsangeboten, die Förderung von Inklusion, Deutschfördermaßnahmen und Sonderzuweisungen nach Sozialindex müssen kommen - aber nicht auf Kosten der Grundschulen und Oberstufen!

Diese Politik hat mit Generationengerechtigkeit nichts zu tun: Es wird Zeit, das Recht auf gute Bildung für alle zu verwirklichen und die chronische Unterfinanzierung des Bildungswesens zu beenden!