Praxissemester – Schrecken mit Ende?

Testlauf beendet

Pressemitteilung 6. Februar 2016

Heute endet der erste Testlauf des neuen Praxissemesters in der Lehrerausbildung in Hessen. Erstmals absolvierten Studierende an Gymnasien in Frankfurt und an Grund-, Haupt- und Realschulen in Kassel eine vom 14. September 2015 bis Freitag andauernden Praxiseinsatz. Ab dem kommenden Semester werden Studierende des Lehramts an Förderschulen in Gießen vier Monate am Stück in der Schule ein Praktikum absolvieren.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) äußert ihre kritischen Eindrücke zum ersten Testlauf. „Das Praxissemester findet viel zu früh im Studium statt und vermischt Ziele der beruflichen Eignungsfeststellung und des forschenden Lernens“, so Maike Wiedwald, stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Hessen und Lehrerin an der Carl-von-Weinberg-Schule, die sich auch am Praxissemester beteiligt. „Die Mentoren in den Schulen erhalten keine Entlastung für die Betreuung der Studierenden, eine sinnvolle Anleitung ist auf diesem Wege nicht gewährleistet oder geht zu Lasten der Lehrkräfte“, so Maike Wiedwald weiter. „Ich habe das Gefühl, dass wir als Lehramtsstudierende im Praxissemester wie es aktuell konzipiert ist, unter einen Generalverdacht gestellt werden, per se unfähig zu sein“, formuliert Carla Spellerberg, eine der Sprecherinnen der Studierenden in der GEW und selbst gerade im Praxissemester an der Goethe-Universität Frankfurt, einen ihrer Eindrücke. „Um unsere Miete weiter bezahlen zu können, müsste entweder das Praxissemester entlohnt werden oder wir müssten unsere 20 Präsenzstunden pro Woche selbst einteilen können, damit ich einem Nebenjob nachgehen kann, zurzeit geht das nicht“, wie Carla Spellerberg eines der Probleme darstellt. Carla fühlt sich an ihrer Schule im Praxissemester gut aufgehoben, weiß aber auch von anderen Fällen zu berichten: „Die Tatsache, dass wir nicht bezahlt werden, führt dazu, dass einige Schulen ihre Praktikant_innen verstärkt in der Nachmittagsbetreuung einsetzen und so einen beträchtlichen Teil ihrer normalen Betreuungskräfte einsparen können. Manche meiner Kommiliton_innen verbringen sogar die Hälfte ihrer Praktikumszeit in der Betreuung und nicht im Unterricht, in dem sie eigentlich sein sollten“, so Carla über eins der pädagogisch massivsten Probleme im Praxissemester.  Aljona (Name abgeändert), eine Kommilitonin von Carla,  die lieber anonym bleiben möchte, berichtet weiter: „An meiner Schule werden wir größtenteils ignoriert oder angefeindet, das Praktikum kann ich kaum normal durchführen. Für die Abwehrhaltung der Lehrkräfte habe ich Verständnis, aber die Schule wechseln darf ich nicht.“

Für die praktische Durchführung des Praxissemesters ist die Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung (ABL) in Frankfurt zuständig, die auch über einen Schulwechsel im Praktikum entscheidet. Im Falle Aljonas handle es sich aber nicht um einen „Härtefall“ und daher müsse sie ihr Praktikum dort bis zum Schluss weitermachen. Tobias Cepok, Referent für Hochschule und Forschung fordert mit Blick auf die kommenden Semester: „Wir brauchen eine grundsätzliche Nachsteuerung beim Praxissemester, aber egal was noch getan wird, ein großer Vorteil des alten Systems, dass die Studierende zu zwei unterschiedlichen Zeiten ihrer Ausbildung an verschiedenen Schulen Erfahrungen sammeln können, geht verloren.“