Schulen vor kaum zu bewältigenden Herausforderungen

Zur Aufhebung der Präsenzpflicht

Pressemitteilung 8. Januar 2021

Nach Einschätzung der GEW Hessen sorgt die Landesregierung mit ihrer konzeptionslosen Vorgehensweise für chaotische Zustände an den Schulen. Insbesondere die ab dem kommenden Montag vorgesehene Aufhebung der Präsenzpflicht in den Jahrgangsstufen eins bis sechs stellt die Schulen vor kaum zu bewältigende Herausforderungen.

Dazu äußerte sich die Vorsitzende der GEW Hessen, Maike Wiedwald: „Zum jetzigen Zeitpunkt weiß niemand, wie viele Kinder sich in der kommenden Woche in den Grundschulen und in den fünften und sechsten Klassen der weiterführenden Schulen aufhalten werden. Auf dieser Grundlage kann man keinen guten Unterricht vorbereiten. Ob es möglich sein wird, das in der aktuellen Phase der Corona-Pandemie unerlässliche Abstandsgebot auch in den Klassenräumen einzuhalten, lässt sich derzeit ebenfalls nicht absehen.“

Neben den Klassen eins bis sechs sollen auch die Abschlussklassen zurück in den Präsenzunterricht geholt werden, gegebenenfalls in geteilten Gruppen. Auch diese Vorgehensweise ist für viele Schulen nicht praktikabel. „An den integrierten Gesamtschulen befindet sich ab der kommenden Woche eine zum jetzigen Zeitpunkt unbekannte Zahl an Schülerinnen und Schülern der Klassen fünf und sechs vor Ort. Darüber hinaus haben wir die Abschlussklassen neun und zehn komplett in der Schule, allerdings meist in geteilten Gruppen. Damit ist die Schule gut gefüllt.“, erläuterte Maike Wiedwald. Gleichzeitig gebe es zahlreiche Schülerinnen und Schüler, die so über mehrere Wochen überhaupt nicht am Präsenzunterricht teilnehmen werden.

Im Rahmen eines Wechselmodells, wie es die GEW seit Monaten bei einer erhöhten Inzidenz eingefordert hat, wäre hingegen ein regelmäßiger persönlicher Kontakt zu jeder einzelnen Schülerin und zu jedem einzelnen Schüler sichergestellt.

Auch in der Berufsbildung führt die Regelung – angesichts des nach wie vor brisanten Infektionsgeschehens – zu viel zu vollen Schulen. Birgit Koch, ebenfalls Vorsitzende der GEW Hessen, wies auf Folgendes hin: „In den berufsbildenden Schulen haben wir kürzere Bildungsgänge, daher handelt es sich bei einem größeren Anteil der Klassen um Abschlussklassen. Das trifft nicht nur auf die Berufsschule im Rahmen der dualen Ausbildung zu, sondern auch auf die vollzeitschulischen Bildungsgänge wie die Fachoberschule oder das berufliche Gymnasium.“ Damit werde es auch an diesen Schulen schwer, das Abstandsgebot einzuhalten.

Auch der öffentliche Personennahverkehr werde ab der kommenden Woche durch den Schülertransport wieder deutlich stärker in Anspruch genommen.

Auf Kritik stößt des Weiteren der ausgesprochen kurze zeitliche Vorlauf, in dem die Schulen sich nun auf die neue Situation vorbereiten müssen. Nach dem Beschluss der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie der Bundeskanzlerin vom Dienstag dieser Woche beriet das Corona-Kabinett am Mittwoch die Umsetzung in Hessen. Die Schulen wurden in der Nacht auf Donnerstag vom Kultusministerium über das weitere Vorgehen informiert, dazu nochmals Birgit Koch: „Am Donnerstagmorgen fanden die Schulleitungen ein Schreiben aus Wiesbaden in ihrem elektronischen Postfach. Diesem zufolge sollten unter anderem die Eltern bis zur Klasse sechs, deren Kinder am Präsenzunterricht teilnehmen werden, dieses den Schulen bis zum Freitagmorgen mitteilen. Drei Wochen nach dem Eintritt in den harten Lockdown räumt nun das Kultusministerium den Schulen und den Eltern eine Frist von nicht mehr als 24 Stunden ein, um seine Vorgaben umzusetzen.“

Benachbartes Bundesland Rheinland-Pfalz zeigt, dass es auch anders gehen kann

Dort informierte das Bildungsministerium bereits am 13. Dezember über den weiteren Schulbetrieb in den ersten beiden Wochen nach den Weihnachtsferien. Maike Wiedwald zeigte sich nachhaltig verärgert: „Das neue Jahr fängt leider nicht besser an, als das alte geendet hat – einsame und inkonsistente Entscheidungen aus Wiesbaden sollen in kürzester Zeit vor Ort umgesetzt werden. Die Verantwortung für die absehbar auftretenden Schwierigkeiten wird dann einfach an die Schulen und die Eltern abgeschoben. Anscheinend mangelt es der Landesregierung an Mut oder an Willen zu klaren politischen Entscheidungen in dieser Krisensituation.“

Bild: istock, bowie15