Vergleichsarbeiten in den Grundschulen

GEW Hessen kritisiert Stresstest für Hessens Drittklässler

PM 7. Mai 2012

Als „sinnlosen Stresstest für Drittklässler“ bezeichnete der Vorsitzende der GEW Hessen, Jochen Nagel, heute den Testmarathon, dem die Schülerinnen und Schüler der dritten Klassen ab Dienstag wieder ausgesetzt werden. Wie schon in den vergangenen Jahren sollen – als Folge des sogenannten Qualitätssicherungsprogramms der Kultusministerkonferenz – im Mai wieder umfangreiche Tests geschrieben werden.

Dieser Testmarathon für die Kinder beginnt am 8. Mai mit Deutsch (Lesen), weiter geht es mit Deutsch (Rechtschreibung) am 10. Mai, Mathematik folgt am 15. und 16. Mai. Anders als in an-deren Bundesländern ist in Hessen eine Teilnahme aller dritten Klassen durch das Kultusministe-rium verbindlich vorgeschrieben. Von Seiten des Kultusministeriums heißt es, „den Schulen die-nen die Lernstandserhebungen zur internen Evaluation, zur Vergewisserung ihrer Arbeit, zur Schülerförderung und zur Weiterentwicklung des Unterrichts.“
„Grundschullehrkräfte sehen die Tests als nicht kindgerecht an, sie bevorzugen andere Wege zur Förderung der Kinder und zur Weiterentwicklung ihres Unterrichts“, betont die Vorsitzende (im Team) der Fachgruppe Grundschulen der GEW Hessen, Susanne Hoeth. „Lernfreude, Motivati-on, Neugier und Entdeckerhaltung werden durch diesen Testmarathon erheblich strapaziert. Moderner Grundschulunterricht, der auch den Anforderungen der UN-Konvention nach einem inklusiven Bildungssystem gerecht werden will, setzt am Lernstand des einzelnen Kindes an und hat seine individuelle Entwicklung im Blick.“
Selbst Klassenarbeiten können inzwischen laut Verordnung in einem am einzelnen Kind orien-tierten individuell angepassten Rhythmus geschrieben werden. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Kinder sich von den ungewohnten und umfangreichen Testformaten an gleich vier Tagen innerhalb von zwei Wochen überfordert fühlen. Frust und öfter auch Tränen sind die Folge.
„Wesentlich wichtiger als die Testergebnisse, die für die Lehrkräfte in aller Regel keine grundle-gend neuen Informationen bringen, ist für die engagierten Pädagoginnen und Pädagogen doch die Frage, was passiert mit denjenigen Schülerinnen und Schülern, die in unseren Schulen hinter ihren Möglichkeiten zurück bleiben? Welche Unterstützung erfahren diese Kinder in unseren Schulen? Wann werden endlich die Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass alle in der Schule optimal gefördert werden können? Auch auf diese entscheidenden Fragen geben Bildungsstandards und Vergleichsarbeiten keinerlei Antwort“, so Susanne H.
Die GEW wird gemeinsam mit den Lehrkräften (u.a. auf einer Fachtagung im Herbst) darüber diskutieren, wie eine erneute Wiederholung dieser unsinnigen, aufwendigen und auch wissen-schaftlich umstrittenen Testerei im kommenden Schuljahr verhindert werden kann. „Dabei schließen wir auch einen Boykottaufruf keinesfalls aus“, erklärten Hoeth und Nagel abschließend.


[1] Kern dieses Programms sind Bildungsstandards, in denen uniforme Erwartungen formuliert werden, was Schülerinnen und Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt können sollen. Um das zu überprüfen, werden zentrale Tests durchgeführt, die Lernstandserhebungen, Vergleichsarbeiten oder Orientierungsarbeiten genannt werden. Nicht nur die Begriffe variieren, sondern auch über Sinn und Zweck der Tests bestehen unterschiedliche Auffassungen. Hessen startete im Jahr 2002 mit eigenen Orientierungsarbeiten; seit 2010 beteiligt es sich an den bundesweiten Vergleichsarbeiten im 3. Schuljahr.