Ab 14. Februar 2024 gilt´s!

10,5 Prozent mehr, mindestens 500 Euro | HLZ Februar 2024

Endlich geht es los. Angesichts drückend hoher Inflationsraten haben die Beschäftigten des Landes Hessen lange auf den Start der Tarifrunde warten müssen. Aufgrund des Tarifergebnisses von 2021, das 28 Monate Laufzeit festlegte, kommen sie erst jetzt zum Zug. Im Frühjahr 2023 waren schon Bund und Kommunen dran und im Dezember 2023 folgten die anderen Bundesländer.


Die Verhandlungen zum TV-Hessen starten am Valentinstag, dem 14. Februar 2024. Die vorerst letzte Verhandlungsrunde mit dem Wiesbadener Innenministerium ist für den 14. und 15. März 2024 terminiert. Bei der Entgeltforderung unterscheidet sich Hessen nicht vom Rest des öffentlichen Dienstes: 10,5 Prozent mehr sollen es sein, mindestens 500 Euro monatlich. Einen eigenen Akzent setzt die gewerkschaftliche Tarifpolitik in Hessen bei der Jahressonderzahlung. Die soll zu einem vollen 13. Monatsgehalt ausgebaut werden. Denn sie beträgt nur noch rund 55 Prozent in den Entgeltgruppen ab EG 9a bis EG 16. Daher wären 45 Prozentpunkte mehr ein beachtliches Plus über eine Anhebung der Tabellenentgelte hinaus.


Im Organisationsbereich der GEW spielen zwei weitere Forderungen eine wichtige Rolle. Beide Punkte betreffen die Hochschulen: Für die etwa 12.000 studentischen Hilfskräfte muss endlich ein Tarifvertrag her („TV Stud“). Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die Arbeitsbedingungen einer derart großen Beschäftigtengruppe nicht tarifvertraglich geregelt sind. Inhaltlich soll dabei Folgendes festgelegt werden: Ein einheitliches Stundenentgelt in Höhe von 16,50 Euro im ersten Jahr der Beschäftigung, ab dem zweiten Jahr 17,50 Euro und ab dem dritten Jahr 18,50 Euro. Neben dem Einkommen müssen weitere Vertragsmodalitäten normiert werden: Mindeststundenumfang von 40 Stunden pro Monat und eine Mindestvertragslaufzeit von 36 Monaten. Darüber hinaus haben sich die Gewerkschaften auch in dieser Tarifrunde den Kampf gegen das Befristungsunwesen an den Hochschulen auf die Fahnen geschrieben. Der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisse soll reduziert werden.


Die Übertragung des Tarifergebnisses beim Entgelt auf die Beamtinnen und Beamten sowie die Versorgungsempfängerinnen und -empfänger des Landes ist ebenfalls Bestandteil des gewerkschaftlichen Forderungskatalogs.


Tarifergebnis von Potsdam

2021 hatten wir in Hessen noch vor den Ländern der „Tarifgemeinschaft deutscher Länder“ (TdL) verhandelt. Das ist diesmal umgekehrt. Insofern lohnt sich ein Blick auf das TdL-Tarifergebnis vom 9. Dezember 2023. Das ist zwar für Hessen nicht bindend, da das Land 2004 aus dem Arbeitgeberverband TdL ausgetreten ist. Es hat aber sicherlich für beide Seiten einen orientierenden Charakter. Kernelemente des Abschlusses für die anderen Bundesländer sind Sonderzahlungen („Inflationsausgleich“) in Höhe von insgesamt 3.000 Euro und eine Gehaltserhöhung in zwei Schritten. Für Dezember 2023 gibt es erstens eine steuer- und abgabenfreie Einmalzahlung in Höhe von 1.800 Euro. In den Monaten Januar bis Oktober 2024 folgen monatliche Sonderzahlungen in Höhe von jeweils 120 Euro, die ebenfalls steuer- und abgabenfrei sind, also netto wie brutto ausgezahlt werden. Zweitens: Im November 2024 werden die Tabellenentgelte einheitlich um 200 Euro erhöht, im Februar 2025 dann um weitere 5,5 Prozent. Die Laufzeit der Regelung beträgt 25 Monate bis zum 31. Oktober 2025. Damit liegen dann die Tabellenentgelte ab Februar 2025 um etwa 10,5 Prozent über dem derzeitigen Niveau. Das gilt für die Durchschnittswerte der in der GEW vertretenen Entgeltgruppen EG 6 bis EG 15.


Auf zwei Aspekte des Tarifergebnisses möchte ich in diesem Zusammenhang noch hinweisen:
Wie in den vergangenen Jahren ist weniger die Erhöhung der Tabellenentgelte die Stellschraube, mit der ein Kompromiss gefunden wird, als vielmehr die Gesamtlaufzeit. Ein Abschluss über etwas mehr als zwei Jahre ist eben auch nur knapp halb so viel wert wie eine Einigung mit einer einjährigen Laufzeit (so die Forderung), wenn die Erhöhung in beiden Fällen gleich ist.
Ebenfalls eine Tendenz der letzten Jahre: Die tabellenwirksame Erhöhung findet nicht mehr zu Beginn der Laufzeit statt, sondern etliche Monate später. Für den Zwischenzeitraum kommt es zur Auszahlung von Einmalzahlungen. Die GEW sieht steuer- und abgabenfreie Einmalzahlungen insofern skeptisch, als dass meist verdrängt wird, dass sich dadurch der spätere Rentenanspruch der Beschäftigten mindert. Unabhängig davon sollten aber Einmalzahlungen und Entgelterhöhung zusammenpassen. Es wäre schwer zu vermitteln, wenn im November gegenüber Oktober 2024 der Nettolohn einzelner Beschäftigtengruppen absinken würde.


In Hinblick auf einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte konnte in Potsdam ein Zwischenschritt erreicht werden. Einen formellen Tarifvertrag, auf den sich Beschäftigte unmittelbar rechtlich berufen können, wird es in den nächsten zwei Jahren für die Studierenden nicht geben. Aber das Einigungspapier legt Mindeststandards fest: Mindestentgelte in Höhe von 13,25 Euro zum Sommersemester 2024, erhöht auf 13,98 Euro ab dem Sommersemester 2025 und Mindestvertragslaufzeiten von in der Regel 12 Monaten.


Tarif- und Besoldungsrunde in Hessen

Auch wenn das Ergebnis von Potsdam auf die hessischen Verhandlungen ausstrahlen wird, so gibt es doch keinen Automatismus für den Landesdienst. Schon gar nicht in dem Sinne, dass die neue Spitze des Innenministeriums die Festlegungen im TdL-Bereich einfach so übernehmen wird. Vor dem 9. Dezember 2023 haben die Beschäftigten bundesweit mit eindrucksvollen Aktionen mehr als in den vorangegangenen Jahren deutlich gemacht, dass sie hinter den gewerkschaftlichen Forderungen stehen und dass angesichts des erreichten Preisniveaus eine deutliche Anhebung der Entgelte ganz oben auf ihrer Agenda steht. Am Branchenstreiktag „Bildung“ nahmen zum Beispiel bundesweit in Hamburg, Berlin, Leipzig und Karlsruhe rund 20.000 Beschäftigte an den Arbeitskämpfen teil. Die neue Landesregierung in Wiesbaden dürfte mit Sicherheit genau registrieren, ob es den hessischen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes gelingt, das Engagement der Tarifbeschäftigten im Vergleich zu früheren Tarifrunden ebenfalls sichtbar zu steigern. Zwar verkündigte der schwarz-rote Koalitionsvertrag Mitte Dezember vollmundig, dass der „Hessentarif“ in 160 Punkten bessere Regelungen enthält als anderes Tarifrecht. Es wäre jedoch fatal, wenn sich die Beschäftigten jetzt zurücklehnen und annehmen würden, das Land wolle in der anstehenden Tarifrunde unbedingt diesen vermeintlich umfänglichen Vorsprung beibehalten.


Kein Automatismus heißt aber auch: Die Gewerkschaften bleiben in Hessen selbstverständlich bei ihren Forderungen: 10,5 Prozent, mindestens 500 Euro mehr pro Monat. Und das Ganze bei einer Laufzeit von einem Jahr. Sie kommen am 14. Februar 2024 nicht nach Wiesbaden, um Geschenke zu präsentieren und nur auf der Grundlage des Potsdamer Ergebnisses zu verhandeln.


Übrigens: Die Festlegung eines Mindestlohnes für studentische Beschäftigte hatten Arbeitgeber und Gewerkschaften – auf etwas niedrigerem Niveau – bereits 2021 ins hessische Einigungspapier geschrieben. Die TdL hat nun nachgezogen und dabei einige weitere Reglungsgegenstände einbezogen. Die Gewerkschaften erwarten 2024 diesbezüglich wiederum einen hessenspezifischen Schritt nach vorne. Ganz im Sinne der neuen Koalition in Wiesbaden, in deren Koalitionsvertrag es heißt: Der „Hessentarif“ nimmt bereits heute eine „Vorbildfunktion für den übrigen öffentlichen Dienst in Deutschland ein“. Diese tarifpolitische Avantgardeposition, die das Land für sich reklamiert, kann dann ja nur bedeuten: Vereinbarung eines „TV Stud“ jetzt, unabhängig davon, ob es die TdL vorgemacht hat oder nicht.


Heiße Phase ab Mitte Februar

Die Tarifrunde 2024 ist für Beschäftigte und Gewerkschaften angesichts dessen, was auf dem Spiel steht, eine Herausforderung. Anders als 2021 verbleibt zwischen Forderungsbeschluss im November 2023 und dem Verhandlungsauftakt in Wiesbaden am 14. Februar 2024 vergleichsweise viel Zeit, um eine erfolgreiche Tarifrunde vorzubereiten. Nicht zu unter-
schätzen ist allerdings, dass die heiße Phase der Tarifauseinandersetzung relativ kurz ist. Wegen der Osterferien ist die vorläufig letzte Verhandlungsrunde für den 14. und 15. März 2024 in Bad Homburg terminiert worden. In den vier Wochen ab dem 14. Februar kommt es darauf an! Die Beschäftigten müssen dann bereit sein, möglichen Aktions- und Warnstreikaufrufen der Gewerkschaften zu folgen. Damit ist erfahrungsgemäß vor allem in der ersten Märzhälfte zu rechnen. An der TU Darmstadt und der Goethe-Universität Frankfurt finden im selben Zeitraum ebenfalls Tarifverhandlungen statt. Beide Hochschulen sind tarifrechtlich unabhängig.