Im Sinkflug

Einstellungen in den hessischen Vorbereitungsdienst | HLZ Juni 2024

Die zweite Phase der Ausbildung zur Lehrkraft besteht aus dem Vorbereitungsdienst, der an das Lehramtsstudium anschließt. Über viele Jahre stellte dieser in Hessen das Nadelöhr auf dem Weg in den Beruf dar: Es standen deutlich weniger Plätze zur Verfügung, als sich Interessierte mit einem Studienabschluss in einem der fünf Lehrämter bewarben. Die Folge waren lange Wartezeiten: Vielen Bewerberinnen und Bewerbern wurde erst nach einem halben oder einem Jahr ein Platz im Vorbereitungsdienst angeboten. Bei häufigen Unterrichtsfächern wurde sogar mitunter die maximal zulässige Wartezeit von zwei Jahren ausgeschöpft. Die GEW hat sich daher für eine Aufstockung der Ausbildungskapazitäten ausgesprochen, und dies schon lange bevor der Lehrkräftemangel virulent geworden ist. Die Landesregierung hat die Ausbildungskapazitäten jedoch erst 2018 erhöht, nachdem sich der Mangel – für den Kultusminister anscheinend gänzlich überraschend – drastisch zugespitzt hatte. Da es damals noch eine größere Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern auf den Wartelisten gab, konnten die zusätzlichen Plätze zunächst problemlos besetzt werden.


Auskunft über die Einstellungen in den Vorbereitungsdienst gibt eine jährlich erhobene Statistik der Kultusministerkonferenz (KMK). In diesem Zahlenwerk sind auch Quereinstei­gerinnen und -einsteiger mitgezählt, also an dem Beruf In­teressierte, die über einen nichtpädagogischen Studienabschluss in einem Mangelfach verfügen. Diese Gruppe ist in Hessen allerdings nicht sehr groß (siehe den Beitrag von Harald Freiling, S. 16-17). Die Zahl der Einstellungen konnte ab 2018 durch den Ausbau der Ausbildungskapazitäten von zuvor jeweils rund 2.200 pro Jahr um 300 gesteigert werden. Der höchste Stand war 2019 mit über 2.500 Einstellungen erreicht. Doch seitdem weist der Trend wieder nach unten. 2023 wurden gut 2.300 neue Lehrkräfte in den Vorbereitungsdienst eingestellt.
 

Unterschiede zwischen Lehrämtern und Fächern

Die Zahlen der KMK weisen neben der Gesamtzahl auch eine deutliche Verschiebung zwischen den Lehrämtern aus. Die Abbildung vergleicht das Jahr 2016 mit dem Jahr 2023. Das Gesamtwachstum geht weitgehend auf das Grundschullehramt zurück, in dem sich die Einstellungszahlen deutlich erhöht haben. Das war nicht zuletzt über ein Sonderprogramm möglich, welches den Vorbereitungsdienst für das Grundschullehramt für Interessierte mit einem ersten Staatsexamen für das Lehramt an Haupt- und Realschulen oder an Gymnasien öffnete. Der Anteil des Grundschullehramts hat sich so auf ein Viertel erhöht. Beim Lehramt für Haupt- und Realschulen, beim Gymnasiallehramt sowie beim Lehramt an Förderschulen – das inzwischen in Lehramt für Förderpädagogik umbenannt wurde – haben sich die Einstellungszahlen nur geringfügig verändert. Besondere Sorgen macht das Lehramt an Beruflichen Schulen: Die ohnehin geringen Ausbildungszahlen haben sich im hier betrachteten Zeitraum weiter verringert. 2023 wurden nur 148 Lehrkräfte in den Vorbereitungsdienst für dieses Lehramt eingestellt. Der prozentuale Anteil hat sich von 10 auf 6 Prozent reduziert. Was die Studierendenzahlen anbelangt, gab es in den vergangenen Jahren einen regelrechten Einbruch beim Lehramt an Haupt- und Realschulen. Das ist allerdings noch nicht beim Vorbereitungsdienst angekommen. Doch für dieses Lehramt zeichnet sich für die nähere Zukunft ein deutlicher Rückgang – und ein entsprechend dramatischer Mangel – bereits deutlich ab.
 

Auch die Belegung der möglichen Unterrichtsfächer ist sehr unterschiedlich. Diesbezüglich sollen hier nur die beiden Lehrämter für die weiterführenden allgemeinbildenden Schulformen in den Blick genommen werden. Die in der Tabelle ausgewiesenen Zahlen sind dem Bericht der Lehrkräfteakademie für den Einstellungstermin 1. November 2023 entnommen. Sie beziehen sich somit nicht auf das ganze Jahr. Da es nur um einen Einstellungstermin geht, reagiert der Bericht sensibler auf eventuelle statistische Ausreißer. Bezüglich der stark belegten Fächer dürfte das aber nicht ins Gewicht fallen. Am häufigsten werden die neu eingestellten Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Haupt- und Realschulen in Deutsch (78), Mathematik (56) und Englisch (44) ausgebildet. Beim Lehramt an Gymnasien liegt Deutsch ebenfalls an erster Stelle (151), gefolgt von Englisch (126) sowie Politik und Wirtschaft (82). Für andere Fächer hingegen gab es nur eine Handvoll Einstellungen: Deutsch als Zweitsprache (4), Griechisch (4), Italienisch (2). Mit dem Fach Russisch wurde keine einzige Person eingestellt.
 

Beispielsweise die Ausbildung im Fach Deutsch als Zweitsprache bleibt offensichtlich weit hinter dem bestehenden Bedarf zurück. Auch die Ausbildung von Lehrkräften in den sogenannten MINT-Fächern ist problematisch (siehe HLZ 12-2023/1-2024). In Biologie und Mathematik liegen die Einstellungszahlen noch auf vergleichsweise hohem Niveau. Bei Chemie, Physik und vor allem Informatik sieht es jedoch deutlich schlechter aus – und das, obwohl hier die Quereinsteigerinnen und -einsteiger bereits mitgezählt wurden.
 

Unattraktive Bedingungen

Zum 1. Mai 2024 wurden nur 1.050 Personen in den Vorbereitungsdienst eingestellt. Für das Gesamtjahr ist ein weiterer Rückgang zu vermuten. Inzwischen sind die Wartelisten abgeschmolzen, so gut wie alle Bewerberinnen und Bewerber erhalten direkt zum nächsten Einstellungstermin ein Angebot. Es hängt nun also unmittelbar von der Zahl der Bewerberinnen und Bewerber ab, wie viele Lehrkräfte in Hessen im Rahmen des Vorbereitungsdienstes in die zweite Phase ihrer Ausbildung starten.


Angesichts dieser Situation wären attraktive Bedingungen im Vorbereitungsdienst umso wichtiger. Auf die Probleme im Zusammenhang mit der Modularisierung und den Prüfungsmodalitäten soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Doch auch die äußeren Bedingungen sind nicht attraktiv: Die Anwärterbezüge liegen aktuell bei nicht mehr als 1.600 bis 1.680 Euro brutto, je nach Lehramt. Das ist nicht konkurrenzfähig zu den Verdiensten, die Berufseinsteigerinnen und -einsteiger in anderen Branchen unmittelbar nach dem Studienabschluss erzielen können. Heike Ackermann, stellvertretende Vorsitzende der GEW Hessen, forderte anlässlich des letzten Einstellungstermins eine deutliche Erhöhung: „Die Anwärterbezüge in Hessen liegen auf einem viel zu niedrigen Niveau. Auch die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst müssen die gestiegenen Lebenshaltungskosten stemmen. Sie sollten mehr Anerkennung bekommen, auch um wieder mehr Menschen für den Beruf zu gewinnen.“