Musikunterricht 2024

Aktives Musizieren in der Sekundarstufe I | HLZ 7-8 2024

 

Musikunterricht an weiterführenden Schulen gestaltet sich oft schwierig. Während der Musiklehrkräftemangel im Grundschulbereich oftmals über fachfremden Unterricht von musikaffinen Personen, die ein Instrument spielen oder in einem Chor singen, zumindest rudimentär ersetzt wird, gilt in der Sekundarstufe – gerade für Musik – eher das Prinzip der Fachlehrkraft. Hinzu kommt, dass die Stundentafel das Fach Kunst in den Jahrgängen 5, 7 und 9 vorsieht, Musik hingegen in 6, 8 und 10. Dies bedeutet, dass die Kinder in Klasse 5, die oft noch gerne singen und vor der Pubertät offen für vielfältige Formen des Musizierens sind, keinen Musikunterricht erleben. In der 6. Klasse befinden sich dann viele Jungen schon im Stimmbruch. Das abwechselnde Unterrichten von Musik und Kunst hat zur Folge, dass beide Fächer an den langen Unterbrechungen von jeweils einem Jahr leiden. Keine Person, die ein Instrument unterrichtet, käme auf die Idee, nach einem Jahr Unterricht ein Jahr Pause zu machen – didaktische Grundsätze, wie die des Übens und Wiederholens, stehen dem diametral entgegen. Die Unterrichtenden des Faches Kunst sehen dies vermutlich ähnlich.
 

An Gymnasien gibt es oftmals eine reiche Tradition des aktiven Musizierens in Chören und Orchestern, oft separat für Unter-, Mittel- und Oberstufe. Hier spielt noch ein guter Teil der Schülerschaft ein Instrument und die Eltern legen größeren Wert auf kulturelle Bildung. Nach meinem Eindruck ist die Situation im Bereich der Gesamt-, Haupt- und Realschulen deutlich anders.
 

Gelingensbedingungen des Musikunterrichts


Wie also kann Musikunterricht an diesen Schulen gelingen? Vielfältige und gute Erfahrungen gibt es im Bereich des Klassenmusizierens: Bläserklassen, Chorklassen oder Percus­sionklassen regen Schülerinnen und Schüler an, sich aktiv mit Musik auseinanderzusetzen, emotionale Zugänge zu entwickeln und sich musikalisch auszuprobieren. Diese Formen des Klassenmusizierens haben eine geringere Hemmschwelle als etwa Streicherklassen, wo es oftmals lange dauert, bis eine schöne Tongebung und saubere Intonation erreicht werden. Nicht zu unterschätzen sind die positiven Nebeneffekte: die Notwendigkeit einer gewissen Arbeitsdisziplin und die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls über das gemeinsame Üben für ein auftrittsreifes Gesamtergebnis.
 

Aber das Gelingen eines solchen „aufbauenden Musikunterrichtes“ in Verbindung mit Klassenmuszieren benötigt gute Grundbedingungen. Dazu wird zum einen eine Lehrkraft benötigt, die fachlich ausgebildet ist. Zweitens bedarf es Räumlichkeiten, die akustisch geeignet sind und die nicht häufig anderweitig genutzt werden. Drittens ist kontinuierlich genügend Unterrichtszeit erforderlich. In der Praxis ist allerdings das aktive Musizieren oft unzureichend mit theoretischen Inhalten und ästhetischen Erfahrungen verzahnt. Musikgeschichtliche Bezüge werden häufig komplett ausgeblendet. Musikalische Bildung erfordert aber eine breite Fächerung an Genres, Stilen und Formen. Auf breiter Ebene Eindrücke zu ermöglichen und eine kritische, an Mündigkeit orientierte Musikpädagogik im Sinne Adornos zu fördern, ist auch originäre Aufgabe des Musikunterrichts.
 

Einige Schulen haben gute Erfahrungen damit gemacht, Musik und Kunst im Wahlpflichtbereich im Anschluss an die Klassen 5 und 6 anzubieten, in denen Kunst und Musik regulär zweistündig unterrichtet wird. Der Vorteil ist, dass Schülerinnen und Schüler so neigungsbezogen entscheiden können, ob sie sich der Musik oder der Kunst widmen wollen. Deren Inhalte können sie in höheren Klassen mit geschichtlichem Bewusstsein besser einordnen.
 

Ganztagsschulen haben den Vorteil, dass sie sich Musik und Kunst „ins Haus holen“ können. Im Nachmittagsbereich sind Angebote für Einzel- und Gruppenunterricht möglich, auch in Kooperation mit Musikschulen. Hierbei stehen individuelle Lernprozesse im Vordergrund. Natürlich lernen Schülerinnen und Schüler im Gruppenunterricht technisch nicht annähernd so versiert wie im Einzelunterricht, die Kombination kann aber sehr effizient und motivierend sein.
 

Nach meiner Erfahrung prägen Projekte die Persönlichkeitsentwicklung besonders: Bei den Musicals und Chorkonzerten, die wir eingeübt haben, zeigte sich, wie erstaunlich leistungsbereit Schülerinnen und Schüler sein können und wie gut das gemeinsame Musizieren zur Integration aller Jugendlichen beitragen kann. Die Verbindung musischer und künstlerischer Aspekte durch Singen, Spielen, Musizieren und ästhetisches Gestalten überwindet eine oft vorhandene Konsumhaltung.
 

Für den Musikunterricht der Sekundarstufe I gibt es verschiedene profilbezogene Konzepte. Was allen gemeinsam ist:
Er kann nur gelingen, wenn vielseitiges und leistungsfähiges aktives Musizieren unter Anleitung qualifizierter Musiklehrkräfte im Fachunterricht sowie im AG-Bereich angeboten wird. Dies sollte für jede Schule eine Selbstverständlichkeit sein.