Tarif- und Besoldungsrunde

Erfolgreiche Mobilisierung ermöglicht guten Abschluss | HLZ Juni 2024

Bad Homburg, am frühen Morgen des 15. März 2024: Die Tarifeinigung steht. Nach einer nur vierwöchigen heißen Phase in der hessischen Tarifauseinandersetzung einigen sich Innenministerium und Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes auf eine Einkommensentwicklung für die hessischen Landesbeschäftigten für den Zeitraum bis Januar 2026. Die TV-H-Beschäftigten erhalten im Jahr 2024 eine Inflationsausgleichszahlung von insgesamt 3.000 Euro (Teilzeit anteilig). 2025 erhöhen sich die Tabellenwerte um 200 Euro (brutto) zum 1. Februar und um weitere 5,5 Prozent zum 1. August.


Der Abschluss folgt im Wesentlichen dem, was die Gewerkschaften im Dezember 2023 für die Beschäftigten der anderen Bundesländer vereinbart hatten. Hessen war 2004 aus dem Arbeitgeberverband, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, ausgetreten. Daher verhandeln die Tarifvertragsparteien hier eigenständig. Die Sonderzahlung zur „Abmilderung der Inflation“ wird in Hessen auf drei gleich hohe Teilzahlungen zu jeweils 1.000 Euro im März, im Juli und im November aufgeteilt. Diese Zahlungen sind als „Inflationsausgleichsprämien“ steuer- und abgabenfrei. Das heißt, sie kommen in voller Höhe netto wie brutto bei den Beschäftigten an. Auszubildende und Praktikant:innen erhalten jeweils 500 Euro. Die Überweisung der ersten Rate soll für die Tarifbeschäftigten spätestens mit dem Entgelt für Mai erfolgen.


Die Laufzeit der Regelungen zu den Tabellen beträgt 24 Monate bis zum 31. Januar 2026. Im Durchschnitt der Tabelle liegen die Entgelte dann im August 2025 um 10,8 Prozent über dem heutigen Niveau. Die Entgelte der Praktikant:innen und Auszubildenden steigen zum 1. Februar 2025 um 100 Euro und zum 1. August 2025 um weitere 50 Euro.
 

Anhebung der Jahressonder-zahlung auf 60 Prozent

Anders als in den anderen Bundesländern wird in Hessen auch ein wenig an der Jahressonderzahlung zugunsten der Beschäftigten gedreht. Seit 2019 war der Bemessungssatz des „Weihnachtsgelds“ schrittweise abgesenkt worden, um damit Verbesserungen in den Entgeltordnungen teilweise gegenzufinanzieren. Ab 2025 wird diese Absenkung nun wieder rückgängig gemacht. Daher steigt der Bemessungssatz im nächsten Jahr von knapp 55 auf 60 Prozent (für die Entgeltgruppen 9a bis 16) beziehungsweise von rund 82 auf 90 Prozent für die anderen Entgeltgruppen. Auf die Tabelle umgerechnet würde dies einer Tarifsteigerung um rund 0,4 Prozent entsprechen.


Diskussionen und Aktionen

Diesmal hatten GEW, ver.di, GdP und IG BAU sehr viel mehr Zeit als 2021, sich auf die Tarifauseinandersetzung vorzubereiten. Bereits nach den letzten Sommerferien startete GEW-intern die Forderungsdiskussion. Neben den entsprechenden Mitgliederzusammenkünften in Frankfurt, Kassel und Marburg konnten sich die Kolleg:innen auch erstmals im Rahmen einer digitalen Befragung beteiligen. Das geschah durchaus rege und hinsichtlich mancher Details mit interessanten Ergebnissen. Klar war aber für die allermeisten von Anfang an, dass angesichts der dramatischen Preisentwicklung die Entgelte im Mittelpunkt der Tarifrunde stehen sollten.


Einen teilweise anderen Fokus setzten aber die Debatten im Hochschulbereich: Maßnahmen gegen die umfängliche Befristungspraxis sowie die Einbeziehung von Studentischen Beschäftigten in den Tarifvertrag standen dort auf der Agenda. Weil die Kolleg:innen beider involvierten Gewerkschaften, ver.di und GEW, eng in diesen Fragen zusammengearbeitet haben, konnten diese Ansinnen schließlich im November Eingang in den gemeinsamen Forderungskatalog aller DGB-Gewerkschaften finden.


Das spiegelte sich auch in den Warnstreiks wider, zu denen die Gewerkschaften nach der Auftaktrunde mit dem Land Hessen am 15. Februar 2024 aufriefen. Es gab eine Vielzahl kleinerer Streikaktionen an verschiedenen Hochschulstandorten. Und bei einem ersten größeren regionalen Warnstreik in Mittelhessen versammelten sich in Marburg Anfang März immerhin an die 1.000 Beschäftigte – eine sehr gute Mobilisierung, zu der die Angestellten aus den drei Hochschulen der Region wesentlich beitrugen.


Das für die Gewerkschaften recht positive Bild bezüglich eines verbreiteten Engagements in der Streikbewegung setzte sich beim landesweiten Warnstreiktag am 12. März 2024 fort. In Kassel versammelten sich rund 1.200 Menschen, in Frankfurt waren es ca. 3.000, viele wiederum aus dem Hochschulbereich. Mit den Warnstreiks machten die Beschäftigten dem Arbeitgeber kurz vor der abschließenden Verhandlungsrunde erfreulicherweise sehr deutlich, dass sie hinter den Gewerkschaftsforderungen standen.


Weitere Ergebnisse

Zurück nach Bad Homburg: Bereits eine Woche zuvor waren die beiden Hochschulthemen Gegenstand einer vorbereitenden zweitägigen Verhandlungsrunde in Dietzenbach gewesen, wo aber noch keine Einigung erzielt werden konnte. Letztendlich gelang es in Bad Homburg zwar nicht, die hessenweit rund 12.000 Studentischen Beschäftigten in den TV-Hessen einzubeziehen – eine solche Einbeziehung war auch im Dezember 2023 im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder nicht durchsetzbar. Aber es konnte ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel gegangen werden, denn das Einigungspapier legt im Rahmen einer sogenannten „schuldrechtlichen Vereinbarung“ verschiedene Untergrenzen bei den Arbeitsbedingungen fest: Das Mindeststundenentgelt für studentische Beschäftigte steigt ab Sommersemester 2024 auf 13,46 Euro. Es erhöht sich am 1. August 2025 auf 14,20 Euro. Weitere Bestimmungen sind: Die Mindestvertragslaufzeit beträgt in der Regel ein Jahr. Und der Mindestbeschäftigungsumfang beträgt grundsätzlich zehn Wochenstunden. Letzteres ist bedeutsam, da die Hochschulen ansonsten auf Stundenentgelterhöhungen mit einer Verminderung des Beschäftigungsumfanges reagieren könnten.


Noch bemerkenswerter sind die Festlegungen, die das Einigungspapier zur Frage der Befristungspraxis trifft. Der Arbeitgeber hat sich verbindlich darauf festgelegt, mehr unbefristete Beschäftigung an Hochschulen zu schaffen. Bis 2030 soll es 400 Dauerstellen aus Landesmitteln zusätzlich geben. Das ist ein echter Fortschritt, denn zuvor war es in keinem anderen Tarifbereich des öffentlichen Dientes seit Ablösung des Bundesangestellten-Tarifvertrages (BAT) gelungen, verbindliche Maßnahmen gegen das Befristungsunwesen an Hochschulen festzulegen. Hessen hat nun – unter maßgeblicher Beteiligung der GEW – den Beweis erbracht, dass ein Aufbau von Dauerstellen tarifrechtlich regelbar ist.


Die Fortsetzung des LandesTicket Hessen hatten die Gewerkschaften zwar nicht in den Forderungskatalog aufgenommen. Eine Fortführung wurde aber trotzdem vereinbart – schließlich war das Ticket Gegenstand im kürzlich unterzeichneten Koalitionsvertrag von CDU und SPD. In Bezug auf die in dieser Tarifrunde ausgeklammerten Eingruppierungsregelungen haben sich beide Seiten darauf verständigt, Verhandlungen über die Entgeltordnung der Anlage A zum TV-H (Eingruppierung aller Beschäftigten mit Ausnahme der Lehrkräfte) in der Zeit bis zur nächsten Tarifrunde aufzunehmen. In Abhängigkeit von diesen Verhandlungen sind dann auch Anpassungen in Abschnitt VII (Unterrichtsunterstützung) im TV EGO-L-H möglich. Im Gegenzug dazu mussten die Gewerkschaften eine Kröte schlucken: Die Möglichkeiten des Arbeitgebers, Zulagen insbesondere für bestimmte Beschäftigtengruppen zu zahlen, werden ausgebaut.


An den tarifrechtlich unabhängigen Universitäten in Frankfurt und Darmstadt haben die Tarifvertragsparteien im Prinzip dieselben Vereinbarungen getroffen. Es gibt allerdings einige Abweichungen zugunsten der Beschäftigten: Unter anderem erhalten Auszubildende ab August 2024 eine zusätzliche Ausbildungszulage von monatlich 200 Euro.
 

Übertragung des Ergebnisses auf Beamtinnen und Beamte

Das Land Hessen hatte die Übertragung der Regelungen zur Einkommensentwicklung und zum Inflationsausgleich auf die Beamt:innen sowie die Versorgungsempfänger:innen des Landes in den Verhandlungen zugesagt. Bei Redaktionsschluss lag ein Gesetzentwurf der Landesregierung vor, der auch für die Beamt:innen die Inflationsausgleichszahlung regelt. Erfreulich dabei: Die erste Rate in Höhe von 1.000 Euro (Vollzeit) wird faktisch zeitgleich mit dem Abschlag für die Tarifbeschäftigten ausgezahlt: nämlich mit den Juni-Bezügen.


Versorgungsempfänger:innen erhalten die Zahlung entsprechend ihres Ruhegehaltssatzes. Anwärter:innen erhalten 500 Euro ebenfalls für März, Juli und November. Zum 1. Februar 2025 steigen Besoldung und Versorgung sowie die Bezüge der Anwärter:innen um 4,8 Prozent und zum 1. August 2025 um weitere 5,5 Prozent. Die lineare Erhöhung im Februar (statt eines Festbetrages) begründet die Landesregierung mit den Urteilen zur amtsangemessenen Alimentation.


Fazit

Die hessische Tarif- und Besoldungsrunde 2024 kann hinsichtlich der Mobilisierung und der Ergebnisse als positiver Schritt bewertet werden. Die Mobilisierung war deutlich besser als in den vergangenen Tarifrunden, sie ist naturgemäß aber noch ausbaufähig. Mit der vereinbarten Einkommensentwicklung können die Reallohnverluste der vergangenen Jahre im Tarifbereich nicht vollständig kompensiert werden. Das war aber auch bei einer realistischen Einschätzung der Kräfteverhältnisse nicht zu erwarten. Die vereinbarten Steigerungsbeträge bieten aber die Chance, mittelfristig Reallohnsteigerungen zu realisieren und verteilungspolitische Wirksamkeit zu entfalten.