Zahl der Privatschulen wächst

Mehr Steuergeld für die hessischen Ersatzschulen | HLZ 7-8 2024

Die GEW Hessen hat sich erstmals im Jahr 2018 mit der Entwicklung der Privatschulen in Hessen befasst (1). Der seinerzeit auszumachende Trend hat sich auch in den Jahren der Corona-Krise und seit Beginn des Ukraine-Krieges fortgesetzt: Die Zahl der Privatschulen und die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die diese besuchen, ist weiter gestiegen. Die Zahl der Privatschulen in Hessen ist von 163 im Schuljahr 2005/06 auf 260 im Schuljahr 2022/23 angewachsen. Besonders dynamisch ist dabei die Entwicklung im Grundschulbereich, auf den gut die Hälfte der neuen Schulen entfällt. Geographisch sticht die große Zahl neuer Grundschulen in Südhessen und hier wiederum insbesondere in der Region um Frankfurt ins Auge.
 

Seit dem Schuljahr 2019/20 – in dieses Schuljahr fiel der Beginn der Coronapandemie – sind 13 neue Privatschulen gegründet worden. Hiervon entfallen fünf Neugründungen auf den Main-Kinzig-Kreis und drei auf den Hochtaunuskreis. Sieben der 13 neuen hessischen Privatschulen sind Grundschulen. Parallel zur Zahl der Privatschulen hat sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler erhöht, die an diesen Schulen unterrichtet werden. Besonders stark ist die Zunahme im Grundschulbereich: Fast 11.000 Kinder besuchen inzwischen eine private Grundschule in Hessen (vgl. Tabelle). Regional auffällig ist die starke Dynamik in Südhessen beziehungsweise in der Stadtregion Frankfurt. Nach den neuesten Erhebungen ist die Zahl der Schülerinnen und Schüler an allen Privatschulen auch im Schuljahr 2022/23 auf mittlerweile gut 50.000 gewachsen.
 

Der Anteil der Privatschulen in Hessen liegt gemessen an der Gesamtzahl der Kinder und Jugendlichen im Schuljahr 2022/23 bei rund 7,5 Prozent – im Schuljahr 2005/06 waren es noch 5,5 Prozent. Dabei muss für das Schuljahr 2022/23 allerdings bedacht werden, dass die Zahl der unterrichteten Schülerinnen und Schüler aufgrund der nach Deutschland geflohenen Menschen aus der Ukraine stark angestiegen ist. Seit dem Schuljahr 2019/20 ist ein Plus von fast 2.500 Kindern und Jugendlichen an allen Privatschulen in Hessen auszumachen, davon entfallen allein 900 auf private Grundschulen.
 

Bedenklich ist das in allen Bundesländern zu beobachtende Wachstum des Privatschulsektors, weil dieses mit einer zunehmenden sozialen Segregation einhergeht: Der Anteil von Kindern mit Akademikereltern an Privatschulen ist gestiegen und fällt deutlich höher aus als an öffentlichen Schulen. Zudem leben Schülerinnen und Schüler, die Privatschulen besuchen, häufiger in Haushalten mit hohen Einkommen (2). Vor diesem Hintergrund ist gerade die besonders dynamische Zunahme im Grundschulbereich problematisch. Nicht ohne Grund setzt das Grundgesetz in Artikel 7 Absatz 5 höhere Anforderungen für deren Genehmigung voraus als für weiterführende Schulen: Hier muss eigentlich ein „besonderes pädagogisches Interesse“ vorliegen.


Neues Ersatzschulfinanzierungsgesetz


Die schwarz-grüne Koalition hat 2023 das Ersatzschulfinanzierungsgesetz, das die Bereitstellung öffentlicher Gelder für anerkannte Ersatzschulen regelt, novelliert. Das Kultusministerium hatte sich zuvor im Rahmen eines Runden Tisches mit den Privatschulträgern selbst auf die Grundzüge des Gesetzes geeinigt. Dr. Falk Raschke, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Privatschulen Hessen, freute sich: „Wir sind mit den Ergebnissen des Runden Tisches sehr zufrieden. Seit vielen Jahren haben wir auf die Systemfehler hingewiesen. Erstmals partizipieren die Ersatzschulen in Hessen an den Entwicklungen der öffentlichen Schulen. Dies macht die freien Schulen zukunftssicher.“
 

Die Ersatzschulfinanzierung in Hessen basiert auf Schülersätzen: Für jede Schülerin und jeden Schüler an einer anerkannten Ersatzschule wird pro Jahr ein fester Betrag ausgezahlt, der sich an den Kosten im öffentlichen Schulsystem orientiert. Die Sätze für das Jahr 2024 wurden nun erstmals vom Hessischen Ministerium für Kultus, Bildung und Chancen auf der Grundlage des neuen Gesetzes berechnet. In der Abbildung werden die Sätze aus dem Jahr 2023 mit den aktuellen Sätzen verglichen. Es zeigt sich ein sprunghafter Anstieg, der vor allem bei Haupt- und Realschulen deutlich ausfällt. Doch unter anderem auch für die Grundschulen (+14 Prozent) und die Sekundarstufe der Gymnasien (+8 Prozent) wurden die Sätze deutlich angehoben. Bei den hier dargestellten Sätzen für die allgemeinbildenden Schulen liegt die Erhöhung im Durchschnitt bei 23 Prozent.
 

Die Finanzierungsbedingungen der Ersatzschulen in Hessen haben sich offensichtlich deutlich verbessert. Und das wird sich noch fortsetzen, denn das neue Gesetz sieht für die kommenden Jahre weitere überproportionale Steigerungen vor. Ein weiteres Detail dürfte den Privatschulboom zusätzlich befördern: Mit dem neuen Gesetz entfällt die Wartezeit von drei Jahren, in der neue Träger bislang zunächst ihre Verlässlichkeit unter Beweis stellen mussten. Sie konnten Mittel nach dem Ersatzschulfinanzierungsgesetz erst nach drei Jahren ununterbrochenem Regelbetrieb erhalten. Diese Regelung wurde ersatzlos gestrichen. Die Landesregierung hat die Mehrkosten aufgrund dieses Gesetzes wie folgt geschätzt: 54 Millionen Euro 2024, 82 Millionen Euro 2025, 112 Millionen Euro 2026. Die Ersatzschulen in Hessen erhalten somit in drei Jahren eine viertel Milliarde Euro zusätzlich. Das sind öffentliche Mittel in einem erheblichen Umfang. Eine wirksame Durchsetzung des „Sonderungsverbots“, demzufolge Privatschulen nur genehmigt werden dürfen, wenn durch sie „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“ (Artikel 7 Absatz 4 Grundgesetz), ist hingegen nicht in Sicht.
 


(1)    Kai Eicker-Wolf/Roman George: Privatschulen in Hessen. Ein Beitrag zur wachsenden sozialen Ungleichheit? In: HLZ 4/2018, S. 26-27.
(2)    Marcel Helbig/Laura Schmitz/Felix Weinhardt: Selbst wenn Privatschulen in der Nähe sind: Sozial benachteiligte Schüler*innen sind dort kaum vertreten, in: DIW Wochenbericht 51+52/2022.